Den Schmetterlingen droht der Tod!
Für unsre Schmetterlinge da sehe ich rot.
Mehr als die Hälfte der Arten ist ernsthaft bedroht.
Sie verhungern in unseren Monokulturen.
Sie sterben auf den vergifteten Fluren.
Wir töten sie mit unserm Rasenwahn,
da auf dem Rasen kein Blümchen mehr wachsen kann.
Unsre Gärten sind voll mit gefüllten Blüten.
Doch das sind nur leere Blütenblatttüten.
Auch die Geranien sind solche blühenden Nieten,
haben weder Nektar noch Pollen zu bieten.
Darum pflanzt bitte ganz viele Wildblumenwiesen,
die auch Bienen, Wespen und Hummeln genießen.
Pflanzt Glocken-, Korn- und Sonnenblumen,
wählt Wicken, Winden, Wucherblumen!
Sät Habichts-, Heide-, Hellerkraut,
das Seifen- und das Schleierkraut!
Pflanzt Fingerkraut und Fingerhut,
den Eisenhut, den Sonnenhut,
den Kälberkropf, den Klappertopf,
den Wiesenknopf, den Natternkopf.
Auch Lavendel, Labkraut und Luzerne
besuchen unsre Falter gerne.
Pflanzt Weide, Ahorn, Ginsterstrauch,
Obstbäume und Holunderstrauch,
die Schlehe und den Himbeerstrauch.
Lasst an den Kräutern noch die Blüten dran.
Das zieht gleich scharenweise Falter an.
Sie lieben Minze, Melisse und Majoran,
Rosmarin, Salbei und Thymian.
Und alle die Sorten vom blühenden Lauch –
ob Bärlauch, Schnittlauch oder Knoblauch –
die mögen sie auch.
Unsre Schmetterlinge brauchen in ihrer Not
Blüten mit Nektar wie wir unser Brot.
Helft ihnen schnell,
sonst sterben sie bald schon den Hungertod.
Herzlichen Dank an Sabine Smolik-Pfeifer, dass wir dieses Gedicht hier darstellen dürfen! Weitere 170 Gedichte von Hans-Wilhelm Smolik und 70 Gedichte von Sabine Smolik-Pfeifer unter www.gedichte.xbib.de
Dein Garten
Dein Garten, das bist du.
Die Wildheit, die Vielfalt,
das Leben in deinem Garten,
das bist du.
Wem gibst du ein Zuhaus?
Sind es viele, sind es wenige,
die in deinem Garten leben,
wirklich leben und diesen Garten
nicht nur besuchen als Gäste?
Was bietet dein Garten?
Was hat dein Garten an sich,
dass so viele gerne kommen?
Du hast an alle gedacht.
Du fühlst mit ihnen.
Dieser Busch blüht schon ganz früh,
bevor irgendeine andere Pflanze sich regt.
Und dieser Busch hat Beeren,
die sich die Vögel holen,
wenn schon der Schnee fällt.
Es ist keine Ordnung in deinem Garten,
keine erkennbare Ordnung ist hier.
Wozu wäre sie auch gut?
Das Lebendige braucht keine Ordnung,
sondern Lebensraum, Raum zum Leben.
Etwas mehr Licht wäre gut,
etwas mehr Zeit wäre nicht schlecht,
etwas schaffe ich immer nicht,
etwas mehr Vielfalt geht noch,
etwas mehr Stolz wäre angebracht.
Dein Garten, das bist du.
Die Wildheit, die Vielfalt,
das Leben in deinem Garten,
das bist du.
Lieben Dank an Robby Sandmann aus dem Hortus-Netzwerk, dass wir dieses Gedicht hier darstellen dürfen! www.r-sandmann.de 2017
Besonders beschissene Blüte
An der Geranienblüte hing
ein kleiner bunter Schmetterling.
Doch so sehr er suchte und sich mühte,
in dieser schönen roten Blüte
nicht das kleinste Tröpfchen Nektar hing.
Ein Honigbienchen mit Gebrumm
kroch in der Nachbarblüte rum.
Doch auch dieses arme Tier
fand nicht ein Pollenstäubchen hier.
Der Falter traurig gaukelte,
weil man ihn so verschaukelte.
Die Biene wütend summte,
weil man sie so verdummte.
Falter und Biene flogen fort
von dem betrügerischen Blütenort.
Ja, Geranienblüten sind stets leer,
bilden keinen Nektar, keinen Pollen mehr.
Sie erfreuen zwar unsre menschlichen Augen,
doch als Insektennahrung sie gar nichts taugen.
Genauso ist auch jede gefüllte Blüte
immer nur eine leere Blütenblatttüte.
Alle diese Mogelblüten werden in England sehr treffend „grappy flowers“ genannt. Wollt ihr die Übersetzung von „grappy“ wissen? „Grappy“ heißt auf Deutsch ganz einfach „beschissen“.
Herzlichen Dank an Sabine Smolik-Pfeifer, dass wir dieses Gedicht hier darstellen dürfen! Weitere 170 Gedichte von Hans-Wilhelm Smolik und 70 Gedichte von Sabine Smolik-Pfeifer unter www.gedichte.xbib.de
Mutter Feldhecke
Ich, der Wassertropfen Plink, will euch von meinem Leben und meinen Abenteuern erzählen. Und wenn ihr mich fragt, wieso ich dazu komme, dann muss ich euch ganz ehrlich sagen: weil ihr eigentlich kaum etwas von der Natur wisst und begreift.
Es ist nämlich so, dass die Natur sehr wenig Spaß versteht und es überhaupt nicht vertragen kann, wenn ihr der Mensch dazwischen pfuscht. Ihr Menschen müsst da noch sehr viel lernen, müsst die Augen tüchtig aufreißen und müsst viel mehr über die verborgenen Zusammenhänge nachdenken. Genauso wie jedes Tier, hat auch jede Pflanze eine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen, und es rächt sich bitter, wenn ihr denkt, dass ihr machen könnt, was ihr wollt. Ich habe da mancherlei erlebt, das euch nutzen könnte. Und so will ich euch jetzt die Geschichte von der Mutter Feldhecke erzählen, von einer einfachen, wild gewachsenen Hecke mitten zwischen den Feldern des flachen Landes.
Ich lernte die Feldhecke kennen, als ich an einem bitterkalten Wintertag und mit meinen Freunden Platsch und Platsch und Pang und Pong als wirbelnde Schneeflocke durch die Lüfte jagte. Der Ostwind blies uns vor sich her und jauchzte auf, als er das weite flache Kornland vor sich sah. »Da will ich mich ausrasen und über die verschneiten Fluren blasen, dass den Feldhasen und Feldhühnern das Blut in den Adern gerinnt, dass die Hamster und die Maulwürfe in der Erde zittern und die Regenwürmer blau werden! Mein ist das flache Land, mein ganz allein!« Und er nahm einen Schwung und brauste mit uns los, dass wir nur so dahin stoben.
Und wie er nun so in schönster Fahrt war und sich seiner Gewalt und Kraft freute, da rief es auf einmal : »Halt, mein Freund, hier stehe ich! Komm, mach gefälligst einen Hopser, alter Sausebruder!«
»Wer wagt es, mich aufzuhalten?« heulte der Ostwind. »Aus dem Weg, sonst blas‘ ich dich um!« »Na, dann blas‘ nur!« rief es zurück. »An mir zerschellt deine Kraft. Ich stehe fester als ein Baum, als ein ganzer Wald, ich, die alte Feldhecke!«
»Das wollen wir doch erst einmal sehen!« wütete der Ostwind. Er nahm einen Anlauf, er raste los, er kam wie ein Untier angesprungen.
Aber die Feldhecke stand. Die unzähligen Zweige der Heckenrosen, der Weißdornbüsche, der Haselsträucher und Schlehen hatten sich so fest und unentwirrbar ineinander verschränkt und waren außerdem noch durch die Ranken des Hopfens, der Zaunrübe und der Waldrebe verbunden, dass ihnen keine Windsbraut etwas anhaben konnte. Die Feldhecke stand wie eine Mauer. Sie war nicht umzuwerfen und nicht zu entwurzeln. Der Ostwind musste sie überspringen, es blieb ihm gar nichts anderes übrig. Und mit ihr übersprang er auch die Hasen und die Rebhühner, die sich unter die Hecke geduckt hatten und dort warm und wohl geborgen lagen. Er übersprang zugleich auch die schlafenden Igel und Schlangen, Mäuse und Kröten, die alljährlich im Herbst bei der Hecke einkehrten und sich unter ihr in die Erde gruben. Und er übersprang die unter dem zusammen gewehten Falllaub träumenden Schmetterlinge und Käfer, die Hummel- und Wespenweibchen, die Grillen und Spinnen.
Wie eine gute Mutter, wie eine Glucke ihre Küken, hütete die Feldhecke das Leben der Tiere, die sich unter ihren Schutz begeben hatten. Auf sie war Verlass. Unerschütterlich stand sie in allen Stürmen und hatte für die hungernden Vögel noch manche Beere, manche erstarrte Raupe, manches Schmetterlingsei und manche Schnecke in ihrem Schoß.Und was wäre wohl aus den Hasen und den Rebhühnern in der tief verschneiten Flur geworden, wenn nicht Mutter Feldhecke in ihrem Rücken schneefreie Flecken für sie gehabt und ihnen dazu noch manches Zweiglein und manche Knospe geopfert hätte? Kein notleidendes Tier sprach vergebens bei ihr vor. Jedes Tier fand einen warmen Unterschlupf, ein sicheres Versteck oder einen wärmenden Happen. Selbst die Wintersaat auf dem hinter ihr liegenden Feld hatte der Hecke ihr Leben zu verdanken. Denn die Hecke war es, die die zarten Keimblättchen vor den kalten Winden bewahrte, bevor wir Wassertropfen sie in unseren warmen Schneemantel hüllten. Gutmütig schmunzelte die alte Feldhecke hinter dem wütend davon brausenden Ostwind her.
»Na also!« murmelte sie.
Und genau so gutmütig nahm sie auch uns Schneeflocken an ihre breite Brust, obwohl wir ihr vorläufig noch keinen Dank dafür wussten und eigentlich einen kleinen Groll auf sie hegten. Denn die Fahrt mit dem Ostwind war doch zu schön gewesen und jetzt fürchteten wir uns vor der Langeweile.
Nun, es erwies sich, dass es durchaus nicht langweilig bei der Feldhecke war. Besonders im Frühjahr nicht, als wir getaut waren und tief in ihrem Schatten lagen, als die Bienen und Hummeln ihre blühenden Schlehen- und Weißdornbüsche umschwirrten, als die Schmetterlinge die ersten Veilchen zu ihren Füßen besuchten und die von weiter Reise zurückgekehrten Grasmücken, Neuntöter und Rotschwänzchen nach ihren alten Brutplätzen schauten. Und wie sich die alte Mutter Feldhecke freute, dass alle wieder zu ihr zurückkamen, dass keines der Tiere sie vergessen hatte! Aber wo wären wohl auch die Nester der Vögel und ihre Eier und Jungen besser aufgehoben gewesen? Wo hätten die gefiederten Sänger so reiche Kost an Fliegen und Spinnen, Raupen und Würmern, Käfern und Heuschrecken gefunden? Und was sie bei Mutter Feldhecke nicht fanden, das brauchten sie nur von den benachbarten Feldern aufzulesen. Ja, und wo hätten sich die Kröten und Igel, Eidechsen und Blindschleichen geborgener fühlen können, als unter dem stacheligen und dornigen Verhau ihrer Zweige?
Die Tiere wussten schon, was sie an der alten und mächtigen Feldhecke hatten. Sie wussten es genau, ganz gleich, ob sie bei ihr wohnten oder sie nur besuchten, ob sie winzige Blattläuse oder stattliche Käfer, zierliche Motten oder dicke Hummeln waren.
Bei ihr fanden die Ameise und der Marienkäfer die begehrten Blattläuse, die Gallwespen ihre Kinderwiegen, die Blumenkäfer den besten Blütenwein, die Blattschneiderbienen die Tapeten für ihre Honigzellen, die Laubheuschrecken zarten Blattsalat, die Schnecken den geliebten Schatten und die Blattwanzen köstlichen Pflanzensaft. Bei ihr wurden die Spinnen aller Arten und Familien dick und fett, denn sie fing ja alles auf, was der Wind vorüber wehte. Und bei ihr konnte sich wieder der Zaunkönig an Spinnen mästen.
»Ach, jetzt ist mir wieder richtig wohl!« seufzte Mutter Feldhecke im Sommer aus tiefstem und glücklichem Herzen. » Jetzt summt und brummt, singt und klingt, jubiliert und tiriliert es in mir vom frühen Morgen bis zum späten Abend und selbst noch die Nacht hindurch. Jetzt kribbelt und krabbelt, zippelt und zappelt, schlüpft und flattert es in meinen Zweigen, dass es eine Lust ist. Jetzt blühen meine Heckenrosen, klettern die Zaunwinden, rankt sich der Hopfen, dass man vor lauter Blüten und Blättern nicht mehr in mich hineinsehen kann!« Und sie hielt die Kinder des Bauern, die an ihr vorübergingen, mit ihren stachligen Zweigen fest und sagte: »Schaut nur mal unter mich! Seht ihr nicht, wie meine Brombeeren in diesem Jahre blühen? Und wie wunderbar die Haselbüsche wieder angesetzt haben? Das gibt Nüsse! Und für den Vater habe ich im Herbst wieder eine Masse Schlehen zum Schnaps und für die Großmutter die heilkräftigen Hagebutten!«
Aber die Kinder des Bauern sahen nur die Risse in ihren Kleidern und dachten daran, was der Vater gesagt hatte.
»Die alte Hecke muss endlich auch verschwinden! Sie schmälert mir das Feld und wirft zu viel Schatten. Das sind ja ein paar hundert Quadratmeter gutes Land, die ich gewinnen kann, wenn ich das Stachelding niederbrenne.«
Der Bauer hielt Wort. Gleich nach der Ernte ging er mit Axt, Säge und Feuer der Hecke zu Leibe. Ohne daran zu denken, dass er unzähligen Tieren die Heimat nahm, vernichtete er in wenigen Tagen, was über hundert Jahre lang gewachsen war. Er hatte vergessen, wie viel Holz die Hecke ihm und seinen Vorfahren schenkte, wie viele Beeren und Nüsse sie alljährlich gab. Er dachte auch nicht daran, dass seine Bienen in der Hecke eine unerschöpfliche Honigquelle gefunden hatten und dass er seinem Weidevieh den Schatten nahm.
Die Hecke wehrte sich mit Dornen und Stacheln und zähen Wurzeln aus Leibeskräften. »Du wirst es bereuen, Bauer!« rief sie bei jedem Axthieb. »Ich bin nicht zum Spaß hier gewachsen. Ich habe viele wichtige Aufgaben zu erfüllen. Es geht nicht um mich, es geht um dich und dein Feld !«
Selbst uns Wassertropfen jammerte die alte brave Hecke, obwohl wir bestimmt nicht wehleidig sind. Aber wir wussten ja, dass der Bauer einen großen Fehler beging, wussten ja, wie es um die Felder bestellt ist, die nicht von Hecken begrenzt werden.
Der Bauer jedoch hörte und verstand die Hecke nicht, und er war stärker als alle Stürme und Wetter. Er rottete sie mit Stumpf und Stiel aus und gewann wirklich einige hundert Quadratmeter guten Boden.
Aber über diesen Gewinn wurde er nicht froh. Denn die Hecke hatte sein Feld ja nicht nur vor den winterlichen Stürmen, sondern auch vor den kühlen Nachtwinden bewahrt. Sie hatte unter sich eine gewaltige Menge von uns Wassertropfen gespeichert und davon in den trockenen Sommer-monaten ans Feld abgegeben. Und die in ihr und unter ihr nistenden und hausenden Tiere hatten das Feld von unzähligen Schädlingen frei gehalten.
Der Bauer spürte bald, sein Feld trug jetzt nicht mehr so reiche Frucht. Er ahnte auch, was daran schuld war. Aber er war ein Dickkopf und wollte es nicht zugeben.
Wir Wassertropfen hatten uns kurz darauf natürlich auch wieder auf die Wanderschaft begeben. Die Sonne hatte uns aufgesogen und wir kamen erst nach sechs Jahren wieder einmal in diese Gegend. Mit einem tüchtigen Gewitterguss platschten wir auf das Feld nieder und hätten es wahrhaftig kaum wiedererkannt. Pulvertrocken war die ganze Flur und stiebte geradezu unter unserem Aufprall. In den benachbarten Straßengräben lagen hohe Schichten der guten Muttererde, die von unseren Kameraden während vorhergegangener Regengüsse vom Acker geschwemmt wurden. Und auch wir liefen von dem Feld wie von einem gestampften Scheunenboden sofort ab und rissen ebenfalls Teilchen um Teilchen und Krümchen um Krümchen der letzten guten Ackererde mit uns. Und von einem benachbarten Tümpel, in dem wir landeten, konnten wir bereits nach zwei Tagen sehen, wie der Wind die inzwischen schon wieder ausgedörrte Krume in hohen Staubwolken über das Land blies.
Den Bauern überfiel das kalte Grausen. Verstört lief er über sein Feld und verwünschte laut den Tag, da er die Feldhecke niederbrannte. Und er ging hin und pflanzte wieder Heckenrosen und Haselsträucher, Weißdornbüsche und Schlehen, Holunder und Pfaffenhütchen an den Feldrain. Er pflanzte sie an die gleiche Stelle, wo die alte Feldhecke gestanden hatte. Und er schrieb es auf für alle seine Nachkommen: »Lasst die Hecken stehen, sie sind die sorgenden Mütter der Felder!«
Herzlichen Dank an Sabine Smolik-Pfeifer, dass wir diesen wunderbaren Text ihres Vaters Hans-Wilhelm Smolik hier darstellen dürfen! Lieben Dank auch für die Überführung in die Neue Deutsche Rechtschreibung!